Ein Chor entsteht

von Hans Reimann

Wie alles begann… eine riesige Jam-Session
Sommer 1997, Folk- und Country-Sänger Klaus Jöhren von der VHS Wesel hatte seine Gemeinde, ehemalige Gitarrenschüler, zum öffentlichen -open-air-Vorspielen und Singen auf dem Rathausplatz in Hamminkeln zusammengerufen zu einer riesige Jam-Session. Etwa 100 sangesfreudige Hamminkelner hatten sich versammelt und es war einfach nur schön: Die alten Lieder aus den 70er-Jahren, Country Roads, How many Roads… , Whiskey in the Jar, Bob Dylan, Hannes Wader, Marmorstein und Eisen bricht, Lieder aus der Mundorgel… das volle, pralle Leben aus der Studien-, Lehr- und Wanderzeit. Und das in Hamminkeln!!!
…schwebte schon längst über dem Rathaus Hamminkeln
Nach der Veranstaltung wollten einige gar nicht mehr weg, so schön war es. In kleinen Gruppen wurde weitergemacht. Aber die Idee schwebte schon länger über dem Rathaus Hamminkeln: Wie müssen so etwas öfter machen! Wer macht mit? Ich, du, er, sie… Wer? Das waren zunächst: Christine Schweizer (heute wieder Sanders), Olaf und Gerlinde Robinet, Hans und Sigrid Reimann, Ellen Linzmeier.
Frau Christine weiß Rat…
Die ersten Versuche waren recht kläglich. Einer konnte ein bisschen Gitarre, Eine spielte Akkordeon, Jeder kannte ein paar Lieder. Aber die kannte der andere nicht. Oder nicht so wie die Eine. Und welche Tonart, welche Stimmlage („Wattdattn?“) und welche Version…???
Christine Schweizer wusste Rat: Musikschule Ringenberg!!!
Aus Rat wurde Tat: Rolf Vahrenhorst, der Leiter der Musikschule („Ich bin zwar kein ausgebildeter Chorleiter, aber….“), war bereit den reiferen Nachwuchs, diese hoffnungsfrohen Hamminkelner Stimmmusikalartisten, zu coachen! Bedingung: Ihr dürft die Lieder aussuchen, aber wie gesungen wird, das bestimme ich! Wir waren ja so froh, dass da einer war, der uns sagte, wo’s lang ging!
Es war einstimmig…
Es ging unters „Dachjuchee“. In die Musikschule Ringenberg. Jeden Donnerstag um 20 Uhr. Sogar mit echtem, edlen Konzertflügel. Wow! Man sang, was Spaß machte. Der eine kannte ein Lied. Die andere kannte ein Lied. Und einer war da, der sagte, wie es gesungen wurde. Es war stimmig. Endlich. Danke Rolf Vahrenhorst! Es war einstimmig…. Wie langweilig!„Man könnte ja auch mal zweistimmig singen!?“, schlug der Coach nach Kurzem vor. Und schon machte sich neugierige Begeisterung breit. Zweistimmig, dreistimmig… Wir lernten, dass man auch vierstimmig singen kann. Und das klang ganz anders, viel schöner, viel harmonischer, gemeinsamer und gleichzeitig verschiedener. Wow: Singen, eine neue Dimension!
Ach ja. Es hatte sich herumgesprochen. Es waren jetzt schon 6, 8, 10 Frauenstimmen und immer nur noch 2 tapfere, unentwegte, zu allem entschlossene, heldenhafte, manchmal sehr einsame Männerstimmen.
Jeden Donnerstag, 20.00 Uhr. Gemeinsames Singen unterm „Dachjuchee“.
– Wie langweilig!
Der alte Fuchs…
Der alte Fuchs Vahrenhorst: „Man könnte ja auch mal auftreten. Ihr singt doch gar nicht schlecht. Das kann man doch mal auftreten. Ihr singt doch gar nicht schlecht. Das kann man doch mal andere hören lassen.“ Und schon war der Chor (nicht „Singkreis“!) dabei: Wobei? Beim Weihnachtskonzert. Wo? In der Musikschule Ringenberg. Leiter? Rolf Vahrenhorst! Auf dem Weihnachtsmarkt. Wo? In Ringenberg. Erntedankfest, auf einem Bauernhof. Wo? In Ringenberg. Ringenberg, Ringenburgh, Ringenbörg. – Wie langweilig!
Hamminkeln. Männergesangvereins „Bleibtreu“. Herbstkonzert. Ohgottogott: Die haben uns eingeladen. Wir sollen bei denen singen. Das schaffen wir nie. Da blamieren wir uns. Die sind soo gut!
„I like the flowers, I like the daffodils, I like the rolling hills… don didle di, don didle di, don didle di ….“
Es war nicht perfekt. Es war recht einfach. Aber es war etwas Anderes. Mit kollegialer Unterstützung der sonoren Männerstimmen von „Bleibtreu“. Und wir erhielten viel Beifall! 300 Leute im Saal. Wow!
Gar nicht mehr langweilig. Vielen Dank „Bleibtreu“!
Evening Rise
Rolf Vahrenhorst ist tot. Unser Coach, unser Aufbauer, unser Mutmacher, unser Begleiter, unser väterlicher Freund. Hier der Text des Liedes, das wir ihm an seinem Grab gesungen haben:
Evening rise, spirit come,
Sun goes down, when the day is done;
Mother Earth awakens me,
With the heartbeat of the sea.
Grüne Delfine
2002. Herbst. Jürgen Otto, Musiklehrer am Gymnasium Voerde, wohnhaft in Hamminkeln, übernimmt die Leitung des Chores. Er bringt illustre Gesellschaft mit: The Girl from Ipanema, Ba-Ba-Barbara-Ann, Stangers in the Night, Sunny, Black Orpheus von der Green Dolphin Street, den Lollipop Man. Einige kommen mit dem Chattanooga Choo Choo an. Irgendwie auf der Suche: Frankie Boy’s My Way“, Spencer Davis‘ Gimmme some Lovin“, California Dreaming, Happy and Free,… Sing and Swing“ ist jetzt das Motto, Jazz, afrikanische Rhythmen, Off-Beat.
Wow. Singen, eine neue Dimension: schräg, schrill, schööön! Auftritte in der Region. Es steigert sich: Schnapsbrennerei Ringenberg, Brauhaus Bocholt, Rathaus Hamminkeln, Dorfspaziergang, Bennen en Butten, Apfelwiesenfest, Hochzeiten, Kulturveranstaltungen, Gottesdienste – wir sind dabei!
Sorry, Mr. Bürgermeister.
Ach ja. Es hatte sich herumgesprochen. Es waren jetzt schon 12, 16, 24 Frauenstimmen. Na ja, auch schon 3, 5 tapfere, unentwegte, zu allem entschlossene, heldenhafte, manchmal sehr einsame Männerstimmen.
Chor ohne Namen. No-Name Singing Club? Billigprodukt? My Lovely Mister Singing Club! Mein lieber Herr Gesangsverein! Das geht ja gar nicht!
Da war er. Der Mann, der uns den Namen gab. Hin und her. Her und hin. Ein Vorschlag, ein anderer Vorschlag. Her und hin. Hin und her. The winner is: MURISONO: MUsikschule- RIngenberg – SONO. Musikschule Ringenberg erklingt (oder so). Yes Sir, that’s it! Danke, Volker Klewinghaus!
Sorry, Mr. Bürgermeister. Ja, ja, wir wissen, dass es die Musikschule der Stadt Hamminkeln ist. Aber wollen Sie, Herr Schlierf, MUHAMS’ONO heißen? Also!
Auge Das hört mit
Und es durfte auch etwas professioneller werden („Mein Gott, nur nicht professionell!“). Corporate identity? Sollen wir ein Haufen zusammengewürfelter Gesangesdesperados bleiben, jeder für sich, alle für keinen? Uniform! Uniform? Einheitliche Kleidung! Schwarz-Rot. Das macht was her! Also. Rotes Tuch und schwarze Hose, fertig ist der Liedmatrose!
Ach ja. Es hatte sich herumgesprochen. Es waren jetzt schon 28, 30, 36 Frauenstimmen und wow, schon fast 6 tapfere, unentwegte, zu allem entschlossene, heldenhafte, manchmal sehr einsame Männerstimmen. Alle durften sich nun auch so kleiden wie alle.
Identitätsstiftung: Wir singen zusammen.
Arabisch
Auch auf Arabisch! Olaf Robinet, Mitglied der Bahái Gemeinde, eröffnet uns eine ganz neue Dimension: die tief-religiösen, erhaben-würdevollen Lobpreisungen des Schöpfers: Allhah’u’Abha“. In Hofheim bei Frankfurt singen wir zusammen mit Bahá’i – Sängerinnen und Sängern im Haus der Andacht, einem gewaltigen, kathedralenartigen Kuppelbau mit einer göttlichen Akustik, für die aus ganz Deutschland versammelte Bahá’i – Gemeinde, ca. 600 an der Zahl.
Singen, eine spirituelle Erfahrung: Danke Olaf Robinet! Ach ja. Es hatte sich herumgesprochen. Wir sind jetzt ein Chor mit 10 kräftigen, überzeugten Männerstimmen und 42, 44, 46 tapferen, unentwegten, zu allem entschlossenen, heldenhaften, manchmal verzweifelten Frauenstimmen, die der Lautstärke und Sangesfreude des Bässe Paroli bieten müssen.
Liebe auf den ersten Blick: Moskau
Auf einem Schüleraustausch des Gymnasium Voerde mit einer Schule in Moskau lernt der begleitende Lehrer Hans Reimann (Das bin ich.) seine Kollegin und Deutschlehrerin Larissa kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Die Liebe zur Musik, die Liebe zum gemeinsamen Singen. Auch sie singt in einem Chor in Moskau. Klar, was jetzt kommen musste:
Im Sommer 2011 kommt der Moskauer Chor „Das Russische Lied“, nach Hamminkeln, 20 stimmgewaltigen Russinnen mit Chorleiter Evgeny Yablokov und 2 tapfere, unentwegte, zu allem entschlossene, heldenhafte, manchmal sehr einsame Männer.
„Ihr müsst auch deutsche Lieder singen!“
Da staunte Manni Götz nicht schlecht, als nach der gemeinsamen Chorprobe am Donnerstagabend seine Kneipe mit russischen Weisen erfüllt wurde. Zwei gemeinsame Konzerte, eins ins Voerde und eins im Schloss Diersfordt. Die russischen Gäste sprechen kein Deutsch, kein Englisch. Alle verstehen sich prächtig. Es wird “liedisch“ gesprochen. Herzlichkeit. Zwei Konzerte von Murisono in Moskau. Bedingung von Deutschlehrerin Larissa: Ihr müsst auch deutsche Lieder singen. Klar machen wir: Die Gedanken sind frei. König von Thule (Goethe). Murisono mitten in Moskau: Wow. Singen, die internationale Dimension. Danke Larissa.
Und sonst so? Singt ihr eigentlich nur Englisch? Nee, keinesfalls. Wir singen alles, was Spaß macht. Moderne Kirchenlieder, Klassik, Mozart, Orff, deutsche Schlager, you name it.
Das volle Leben.